Ein Date zum Stricken

Sie verschönern als Strick-Guerillas die Städte und treffen sich in hippen Cafés zum Strick Sit-in: Stricken ist vom Oma-Hobby zur favorisierten Beschäftigung junger, urbaner Menschen geworden. Dabei geht es nicht nur um die gestrickten Socken, die man nach getanem Nadelschwingen an den Füßen tragen kann, sondern vielmehr um das gemütliche Zusammensitzen. Im Fall der Guerilla-Stricker steht die, manchmal auch politisch motivierte, Verschönerung der Stadt im Fokus. Wir haben mit Kristin Joél gesprochen, die seit über drei Jahren einen Stricktreff in München veranstaltet und sie über ihre Liebe zum Stricken ausgefragt.

Ob Socken, Loops oder Stulpen: Hauptsache es wird gestrickt!

Ob Socken, Loops oder Stulpen: Hauptsache es wird gestrickt!

Stricktreff: Ein Date mit der Wolle

Als ich letztens mit der U-Bahn unterwegs war, fing meine Sitznachbarin doch glatt an während der Rush Hour ganz unbeeindruckt vom Gewusel ihre Stricksachen herauszuholen und die Nadeln klappern zu lassen. Ein Strick-Treff in der U-Bahn wäre wahrscheinlich auch eine interessante Idee. Momentan treffen sich die Freunde des Strickens jedoch vorzugsweise in Cafés. Diese sogenannten Stricktreffs, wie zum Beispiel die „Knit Nites“ Stricknächte, haben sich in den letzten Jahren immer mehr etabliert und in fast jeder größeren deutschen Stadt finden nun regelmäßig Strick Sit-ins statt. Eine Veteranin der ersten Strickstunde ist Kristin von bluemchenswelt.blogspot.de, die seit nunmehr 3,5 Jahren einen Strick-Treff in München veranstaltet und 2013 sogar die erste Strickreise organisiert hat. Das Treffen zum gemeinsamen Stricken in Münchner Cafés scheint gut anzukommen, denn „der Stricktreff findet alle 3-4 Wochen statt und gerade jetzt im Herbst/Winter gibt es wieder viele „Stricker/innen“, sodass wir meist zwischen 15 und 20 Leute sind. Eine tolle Gruppe, die bei Kaffee und Kuchen, sich über die Strickerei austauscht und natürlich auch dort die Stricknadeln klappern lässt. Es ist super spannend zu sehen, was so entsteht, welche Wolle verstrickt wird etc.“

 

Auch Männer sind herzlich willkommen

Das Besondere an den Stricktreffs ist, dass viele verschiedene Menschen zusammenkommen. „Es ist von Jung bis Alt alles dabei – wirklich ganz bunt gemischt. Anfänger bis Profis, Männer wie Frauen … das macht gerade die tolle Mischung aus. Über die vielen Jahre wird die Nachfrage immer mehr. Es ist schön zu sehen, dass man beim Stricken so tolle Menschen trifft und sich schöne Freundschaften ergeben.“ Neben strickenden Männern, die ab und an mal beim Stricktreff vorbeischauen, gibt es auch einen Mann, der immer mit dabei ist. „Ja, wir haben einen „Hahn im Korb“ … er ist von Anfang an dabei und unser absoluter Lieblings-Quotenmann. Sowohl beim Stricktreff, als auch bei der Strickreise. Natürlich sind auch weitere Männer herzlich willkommen.“ Also an alle Männer unter euch: keine Scheu: Schaut einfach mal bei einem Stricktreff in eurer Nähe vorbei. Und für alle, die das Glück haben, in München zu leben: Der nächste Stricktreff findet am 8. Dezember statt und Kristin hilft auch gerne Anfängern oder Wiedereinsteigern.

 

Der gestrickte Loop: Kristins Lieblingsprojekt im Winter.

Der gestrickte Loop: Kristins Lieblingsprojekt im Winter.

Die Strickreise

Bei den Stricktreffs blieb es jedoch nicht und so hat Kristin, die übrigens gelernte Floristin ist und Selbstgestricktes sowie weitere Handarbeitswerke in ihrem Dawanda-Shop verkauft, 2013 sogar zwei Strickreisen organisiert. „Die 1. Strickreise hat im Februar 2013 stattgefunden. Eigentlich ist das aus einem lustigen Gespräch beim Stricktreff entstanden. Wir haben Spaß gemacht und gesagt, dass es lustig wäre, eine Strickwallfahrt zu machen. Kaum war ich zu Hause, hab ich nach einem geeigneten Hotel gesucht und schon war die Idee geboren. Die 2. Strickreise war im Oktober 2013 und auch die nächste Strickreise ist schon geplant – vom 14. bis 16. März 2014 machen wir wieder die große Sause in ein tolles 4-Sterne-Wellnesshotel am Königssee (Hotel Alpenhof).“ In der Gemeinschaft entstehen dann auch die besten Strickprojekte. „Es wird gefachsimpelt, Ideen und Erfahrungen ausgetauscht etc. Ich habe immer von meinem Kooperationspartner, einem tolle Wolle-Onlineshop, eine große Kiste Wolle dabei, in der gestöbert werden kann – neue Projekte finden sich ganz leicht.“

 

Urban Knitting: Streetart mit Wolle

Es lassen sich aber nicht nur Loops, Armstulpen oder Socken, die zu Kristins Lieblingsprojekten im Winter gehören, stricken, sondern auch Kunst für die Stadt. Das sogenannte Urban Knitting oder auch Guerilla Knitting ist eine Form der Streetart, bei der Bäume, Laternenpfähle und Co. mit einem bunten Stricküberwurf verschönert werden. Nicht selten ist mit dem Urban Knitting auch eine politische Botschaft verbunden, wie zum Beispiel bei den „Rausfrauen“, die München seit 2011 mit ihrer gestrickten Streetart etwas bunter machen und den öffentlichen Raum für sich beschlagnahmen. Die Zeiten, wo Stricken ein Oma-Hobby war, sind also lange vorbei. Deshalb: Schnell Stricknadeln, Wolle und Stricknadeltasche schnappen und los geht’s. Zwar müsst ihr wahrscheinlich erst einmal mit den Basics anfangen, bevor die ganze Stadt eingestrickt werden kann, aber es geht bestimmt einfacher als ihr denkt. „Anfängern kann ich nur raten … kauft euch Stricknadeln und Wolle und legt los, es ist ganz einfach, beruhigt unwahrscheinlich und es kommt auch immer ein tolles Unikat dabei raus.“

 

Danke für Interview und Bilder an (c) Kristin.

 

 

Maike