Vom Kind zum glücklichen Erwachsenen – ist das heute noch möglich?

Als „Elite der Ungebildeten“ wird die heutige Jugend von Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier bezeichnet. Grund für diesen Zustand sei eine miserable Bildungspolitik. Dass man auch ohne Schulbildung gebildet und glücklich sein kann, wird in Erwin Wagenhofers Film Alphabet thematisiert. Doch wie können Eltern dazu beitragen, dass ihre Kinder zufriedene, aber dennoch kritische Erwachsene werden? Müssen sie viel Geld investieren, um dieses Ziel zu erreichen?

blonde Frau liegt in grüner Wiese und lächelt

Wie ist es möglich, dass aus Kindern zufriedene Erwachsene werden, die das Gesellschaftssystem kritisch hinterfragen und für hohe, humanistische Werte eintreten?

Wirtschaft + Bildung = Verdummung der Jugend!?

Absolute Verdummung prophezeit Bernhard Heinzlmaier unserer Jugend. Besonders nette Attribute hat er nicht zur Hand, wenn es darum geht, sie zu beschreiben: dumm, „mit begrenztem Horizont und engem Herz“. Ideale hätte sie keine und wenn sie handelt, dann nur, um für ihre eigenen Interessen einzutreten. Doch überraschenderweise sieht er die Schuld daran nicht bei der Jugend selbst, sondern gesellschaftlich und hier vor allem bildungspolitisch verankert. Schon im Buchtitel Performer, Styler, Egoisten: Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben wird klar, dass Heinzlmaier alles Schlechte, das er im Verhalten Jugendlicher entdeckt haben will, auf das Konto der Elterngeneration und deren Werthaltung verbucht. Die „neue Elite der Ungebildeten“ käme nämlich dadurch zustande, dass man das bürgerliche Humboldt’sche Bildungsideal durch „systemneutrales, kritikfreies technisches Wissen“ ersetzt habe. Humanistische, geisteswissenschaftliche Bildung würde zugunsten eines Bildungssystems, das voll und ganz im Dienste der Wirtschaft stünde, immer mehr in den Hintergrund gedrängt. In einem Interview mit welt.de erläutert Heinzlmaier seinen Standpunkt mit folgenden Worten: „Bei der Zusammensetzung der Bildungsinhalte zählt nur noch die wirtschaftliche Logik. Die Lehrinhalte werden danach ausgewählt, was später auf dem Arbeitsmarkt auf jeden Fall verwertbar ist. Seit Jahren findet in den Schulen eine Verlagerung zugunsten naturwissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Inhalte statt. Unterrichtsstunden in Musik, Literatur und Kunst werden gekürzt, weil diese Fächer kein im ökonomischen Sinne nützliches Wissen vermitteln.“

Bildung ohne Schule kann funktionieren

Mit weniger drastischen Worten und deutlich subtiler widmet sich Erwin Wagenhofer in seinem Film Alphabet der Thematik. Er präsentiert Schulsysteme auf der ganzen Welt, geht dabei aber nicht nur auf PISA ein, sondern zeigt auch, dass Bildung nicht zwangsläufig in einer Institution stattfinden muss. André Stern, einer der Protagonisten des Films, hat nie eine Schule besucht. Mit welchem Ergebnis? Wurde er zum arbeitslosen Sozialschmarotzer? Nein, er ist ein intelligenter junger Familienvater, der mehrere Fremdsprachen beherrscht − und alles andere als faul. Als Gitarrenbaumeister, Musiker und Autor verdient er nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern ist auch noch glücklich dabei. Er ist gebildet, ohne jemals Prüfungsstress bzw. Prüfungsangst erlebt zu haben. Doch damit zählt er zu den allerwenigsten, denn eine Kindheit und Jugend, wie er sie erlebt hat, ist heute einfach schlichtweg nicht vorgesehen.

Kind läuft durch hohes Gras

Nicht immer ist das Beste aus Erwachsenensicht auch das Beste für das Kind. Damit Kinder später glücklich sind, brauchen sie zwar Eltern, die sie fördern, aber auch solche, die sie einfach Kind sein lassen.

Glück im Erwachsenenalter – was können Eltern tun?

Die Eltern von André Stern haben außerhalb des Musters gedacht, riskiert und gewonnen. Denn ihr Kind ist als erwachsener Mensch glücklich und es fehlt ihm an nichts. Genau das wünschen sich Eltern für ihre Kinder. Oder doch nicht? Denn wenn man genau hinhört, wünschen sie sich sehr oft „das Beste“ für ihr Kind. Ein legitimier Wunsch, doch auf KINDgerechtblog wird völlig richtig eingewandt, dass bei einer solchen Haltung oft nicht „das beste Ergebnis für das Kind, sondern das beste Ergebnis aus ‚Erwachsenensicht‘“ zählt. Nach dem Schema gedacht: „Wenn ich so viel investiere, dann muss aber bitte ein sehr gutes Ergebnis herauskommen.“ Das spielt auf all die Kosten an, die Schule und Ausbildung, aber auch Freizeitaktivitäten, die dem Kind später Türen offenen sollen, nun mal mit sich bringen. Die Betreiberin des Blogs Miriam Schnürer rät Eltern deshalb:

„Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Kein seriöser Wissenschaftler träfe auf seinem Feld eine endgültige Aussage, wo wir in 15-20 Jahren stehen. Warum lassen wir uns als Eltern dann also einreden, dass Unternehmen oder Politiker wüssten, welche Dinge wichtig sein werden für unsere dann erwachsenen Babies und Kinder und welche nicht? Haben Sie Vertrauen in ihr Kind. Setzen Sie den Fokus auf Ihr Kind – als Person und Persönlichkeit. Betrachten Sie die Dinge aus Kindersicht und nicht wissenschaftlich oder gar ökonomisch. Eine zu frühe Intellektualisierung schließt Entwicklungsfenster, statt sie zu öffnen. Große Geister und glückliche Menschen haben sich niemals aufgrund, sondern TROTZ  Vorgaben aus der Gesellschaft entwickelt. Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, ein optimistischer, interessierter und offener Mensch zu werden, der sich allen zukünftigen Herausforderungen stellt und auf neue Situationen selbstbewusst reagiert. Ein Wald oder eine wilde Wiese, andere Menschen und viel Zeit sind die größten Forschungs-  und Entwicklungsräume für Kinder. Und sie funktionieren hervorragend ohne teure Lernsoftware oder Wissenschaftskästen.“

Alles eine Frage des Geldes?

Nein! Eltern müssen kein Vermögen investieren, damit ihre Kinder zufriedene Erwachsene werden. Vertrauen in das Kind und die Stärkung der Persönlichkeit ist für dessen späteres Glück genauso wichtig wie die Förderung der Interessen des Kindes – seien diese nun im humanistischen, technischen oder ökonomischen Bereich.

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