Ich schwör‘, beim Leben meines Handys…

Zurzeit macht viral ein Video auf eine Tatsache aufmerksam, die eigentlich alle irgendwie wussten, aber eben auch nicht. I Forgot My Phone hatte schon über 33 Millionen YouTube-Klicks, der simple Inhalt: handyabhängige Menschen. Ein bisschen erinnert mich das an Situationen auf Partys, wenn ich verkünde, keinen Alkohol zu trinken – „Woooooow, Respekt – DAS könnt ich nicht“. Ähnlich würden wohl die meisten reagieren, müssten sie sich gegen ihr Handy entscheiden. Ein bisschen sozial behindert oder nicht?
handy überall

Im Café, auf dem Essenstisch oder beim Sex

Ohne Handy geht es bei vielen nicht mehr. Ständig wird wie wild darauf herum getippt und gestrichen und gewischt. Bilder wie aus dem Video sieht man jeden Tag im Café: Eine Gruppe an Freunden, die sich zu 50% der Zeit mit ihrem Handy beschäftigen. Die Frage ist nur, mit wem eigentlich? Haben sie Freunde, die sie noch lieber mögen? Die sie noch spannender finden, als die, die ihnen direkt gegenüber sitzen? Manche scheinen so verliebt in ihr Handy zu sein, dass es verwundert, wenn sie es mal nicht zücken. Und wahrscheinlich wollen wir gar nicht wissen, wie viele da draußen existieren, die tatsächlich auch beim Sex mittlerweile ans Handy springen – oder zumindest direkt danach anstelle der Zigarette.
Da wundert es dann auch nicht mehr, dass eine neue Umfrage zu dem Ergebnis kam, dass jeder vierte Deutsche eifersüchtig auf das Handy des Partners ist. Und dabei geht es nicht um kleine Pornobilder auf dem Display oder zweideutige SMS mit anderen – es geht einfach nur um die Zeit, die der andere mit seinem Handy verbringt. Das kann doch keiner mehr normal finden?

Isst du mit Proletenbesteck?

Wie heißt es im Knigge so schön? „Im Grunde kann man sagen, nichts gehört auf den Tisch, was nicht zum Essen benötigt wird.“ Trotzdem zieren immer mehr Restaurant-Tische das Proletenbesteck, bestehend aus Geldbeutel, Schlüsselbund und Handy. Essen kann damit freilich keiner, aber man könnte ja andernfalls etwas verpassen. UND noch viel wichtiger, wir müssen ja die servierten Köstlichkeiten zunächst abfotografieren, instagramen und bei FB teilen, bevor wir es dann kalt verspeisen können. Manche scheinen da eine regelrechte Neurose entwickelt zu haben. Ich sehe schon, wie künftig Psychiater damit konfrontiert werden, diese Zwangsstörung wieder zu heilen.

Auf das Handy verzichten? Spinnst du!

Ganz ohne Handy, das geht nicht. Das ist eben wie eine Party ohne Vollrausch. Eigentlich sollte  das ein wenig erschüttern, aber der soziale Zwang ist groß. Was tun, wenn alle in das Handy starren, nur man selber nicht? Lustig sind aber auch immer wieder die Leute, die vom Handy total genervt und gestresst sind und es dennoch nicht wegpacken können. Als zwänge sie eine unsichtbare Hand zum Konsum – vielleicht hatte der Adam ja doch Recht? Wir als Opfer der Macht des Marktes! So einfach ist das nicht. Ihr braucht keinen verdammten Tresor, den ihr auf dem Meeresgrund versenkt, um mal einen Tag handyfrei zu nehmen. Billige Ausrede und Zeichen von mangelnder Disziplin. Vielleicht mal eine Runde weniger Sich–Selbst-Wichtig-Nehmen, sich daran erinnern, dass kaum ein Anruf so wichtig sein könnte und eine Runde in den Park oder ins Museum – so ganz ohne Handy.

Video: http://www.youtube.com/watch?v=OINa46HeWg8
Bild: zeljkodan, shutterstock.com

Lieschen