Die Vermarktung des Geschlechts

Nach Geschlechtern getrennte Duschkabinen in Schwimmbädern sind wohl für niemanden ein Ärgernis, doch geschlechtergetrennte Chips, Werkzeug mit Glitzersteinen für Frauen oder „klassische Rollenbilder“ in Pasta-Werbung stoßen uns sauer auf. Die einen haben nach #aufschrei nun endgültig genug von dieser Debatte, die anderen können gar nicht aufhören, sich zu empören. Auch Facebook-Chefin Sheryl Sandberg macht mit bei der Schlacht ums Geschlecht. Wie frei sind wir Frauen heute eigentlich?

CCH_Maedelsabend CCH_Maennerabend

Marketing für beide Geschlechter

Von Bosch gibt es einen kleinen niedlichen Akkuschrauber. Es gibt ihn für „normale“ Menschen für etwa 50 Euro. Es gibt ihn aber auch für Frauen für 289,99 Euro (Stand 22.10.2012). Der preisliche Unterschied macht sich optisch in glitzernden Swarovski-Steinen an der Seite des Schraubers bemerkbar. Bei Chio Chips gibt es jetzt Chips für Männer und Frauen – nein Mädels. Nämlich für den Mann, der gerne grillt, Fußball guckt und sich für Autos interessiert, und für die Frau, die gerne shoppen geht, Schuhe liebt und der niemals die Worte ausgehen – das ist nicht unsere Idee, sondern stammt aus der Pressemitteilung von Chio zu den Männerabend und Mädelsabend Chips.

Man weiß nicht so recht, ob Intersnack mit dieser Aktion nur provozieren will oder ob das ernst gemeint ist (wenn auch mit „Augenzwinkern“). Die Macher scheinen das selber nicht so genau zu wissen, denn in derselben Pressemitteilung wird auch direkt auf die drohende Kritik eingegangen. Da heißt es:

„Hierbei sollte erwähnt werden, dass Chio keine generelle Geschlechtertrennung vornehmen und – wie mit keinem seiner Produkte – gezielt eine bestimme Gruppe ausschließen möchte. Der Name „Mädelsabend“ und „Männerabend“ bedeutet nicht, dass die Produkte erst ab einem bestimmten Alter konsumiert werden dürfen. „Mädelsabend“ kann genauso von Frauen gegessen werden wie von Mädchen; „Männerabend“ ist ebenso für Jungen geeignet wie für Männer (ab wann wir Frau statt Mädchen sagen und wann ein Mann ein Mann ist, gilt es hier also nicht zu klären). Auch können Frauen Männerabend Chips essen und umgekehrt – ohne Bedenken und Folgen!“

Aber wieso dann das Ganze?

Argumentiert wird in solchen Fällen dann gerne damit, dass Männer und Frauen nun einmal nicht gleich seien – schon von Geburt an. Bei der Mädelsabend-Verpackung wird auf Glitzer gesetzt. Denn scheinbar stehen Frauen von Natur aus auf Glitzer und auf Pink. Deswegen verkauft man Ü-Eier für Mädchen nun auch mit rosa Blümchen. Nicht alle Frauen fühlen sich davon diskriminiert und viele Männer verstehen die Wirbel nicht, schließlich seien viele Klischees wahr. Weiter reicht die Logik dann nicht und die Frage der Sozialisation wird nicht gestellt. Essentiell in der „Gender-Debatte“ ist nämlich die Frage, was wahr und was anerzogen ist. Würden Mädchen auch mit rosa Ponys spielen, gäbe man ihnen immer nur Autos? Freilich nur ein Gedankenexperiment, kann heute niemand eine Situation schaffen, in der Kinder völlig frei von fremden Einflüssen sozialisiert würden.

Keinen Bock mehr auf #aufschrei

Wie frei sind wir bereits und in wie weit müssen wir uns wehren?

Wie frei sind wir bereits und inwieweit müssen wir uns wehren?

Hitzig wurde die Diskussion um Diskriminierung der Frauen dieses Jahr geführt und am Ende glich es einer peinlichen Schlammschlacht, aus der keiner erhobenen Hauptes heraustrat. Sheryl Sandberg hat von dieser deutschen Diskussion wohl kaum etwas mitbekommen. Doch als Facebook-Chefin plagen sie ähnliche Fragen, wie viele andere Frauen auch. Zu Jahresbeginn erschien ein Buch von ihr, das sich diesem Thema widmet. Mit vielen „Ahs“ und „Oh, das wusste ich nicht“-Rufen wurde das begleitet. Die gläserne Decke ist nicht jedem ein Begriff, sollte es aber eigentlich jeder Frau sein. Die Forderung ist nicht, dass jede Frau Karriere machen muss, sondern dass es keiner Frau verwehrt werden sollte, weil sie eben nur eine Frau ist. Für Sandberg ist klar, dass vor allem Frauen selber daran schuld seien, nicht erfolgreich zu sein. Ihnen fehle das Selbstvertrauen, die Zuversicht, Frauen bewerten ihre eigenen Fähigkeiten viel kritischer als Männer das tun – das macht sie auf dem freien Markt schwach.

Auch das rief freilich Kritiker hervor, denn nicht nur die Frau alleine sei Schuld an dem Dilemma. Interessant bei solchen Diskussionen ist auch immer wieder, dass vor allem andere Frauen die vermeintlichen „Feministinnen“ scharf angehen und Männer eher mit der Schulter zucken. Klar ist aber: Gleich sind wir heute immer noch nicht. Denn wirklich von Natur aus ist der Unterschied gegeben, dass wir Frauen Kinder bekommen. Nicht von Natur aus gegeben ist allerdings die Diskriminierung, die wir deshalb oft erfahren!

Das demokratische Gebot der Gleichheit wird immer auch ergänzt durch Pluralität. Wer gleiche Rechte für alle fordert, der verlangt nach Chancen und Möglichkeiten, nicht aber nach Gleichschaltung!

Bilder: intersnack pressebilder; Pier Giorgio Mariani, shutterstock.com

Lieschen